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Unerträgliche Situation in Geflüchtetenunterkunft in Schwelm

Offener Brief und die Bitte um Unterstützung

Von „Kein Mensch ist illegal“ aus Köln erreicht uns folgender Aufruf zur Solidarität:

„Liebe Unterstützer*innen,
wie ihr sicherlich mitbekommen habt, sind die Lebensbedingungen der Geflüchteten in der Unterkunft in Schwelm unerträglich (s. offenen Brief der Bewohner*innen weiter unten).

Unser Netzwerk „kein mensch ist illegal“ hat diesbezüglich einen Brief an die Bürgermeisterin und an den Fachbereich Familie, Jugend und Soziales der Stadt Schwelm geschrieben, um die Forderungen der Geflüchteten zu unterstützen und den Verantwortlichen zu zeigen, dass die Geflüchteten nicht allein sind und wir uns mit ihnen solidarisieren.

Wir möchten alle Unterstützer*innen bitten, auch tätig zu werden und sich an die Verantwortlichen zu wenden, sodass die mehr als berechtigten Forderungen der Geflüchteten erfüllt werden, denn nur mit öffentlichem Druck und unserer Solidarität können wir in diesem Fall etwas bewegen. Unsere beiden Briefe sind dieser Email angehängt, sodass ihr die Adressen und eine Vorlage habt, die ihr natürlich gern nutzen könnt. Bitte leitet diese Email an unterstützende Gruppen oder Einzelpersonen weiter, sodass sich der Druck auf die Stadt Schwelm erhöht und sie gezwungen werden, die Forderungen zu erfüllen.

Ebenso gibt es die Möglichkeit, sich an die „Karawane für die Rechte von Geflüchteten und Migrant*innen“ zu wenden, um als Unterstützer*in auf die Kampagnen-HP zu kommen ( [email protected] ).

Ein Update und Medienberichte findet ihr in der folgenden Email der Karawane. Danach kommt der offene Brief der Geflüchteten.

Vielen Dank für eure Unterstützung & solidarische Grüße
Kölner Netzwerk „kein mensch ist illegal“

Letzte Woche haben Flüchtlinge sich mit einem offenen Brief an die Stadtverwaltung Schwelm gewandt. Sie beschrieben darin die Situation im Isolationslager und forderten die Stadtverwaltung auf, die Situation zu überprüfen und zu verändern. Der offene Brief wurde auf folgenden Seiten veröffentlicht:

Hier weitere Radio und Zeitungsberichte über den offenen Brief und die Situation in der Kaiserstrasse:

Kundgebungs-Redebeitrag von Sea Watch 3 Crewmitglied

Rede vom Thomas, Crewmitglied der Sea Watch 3, auf der Kundgebung am letzten Sonntag in Köln „Stoppt das Sterben im Mittelmeer ! Keine Abschiebungen in den Tod!“

Letzten Sonntag demonstrierten 300 Menschen in Köln für die Aufnahme der aus Seenot geretteten Menschen und gegen den nächsten geplanten Sammelabschiebeflug nach Afghanistan. Hier die komplette Rede von Thomas, der kurz zuvor von der Sea Watch 3 zurückgekehrt war:

„Einen schönen guten Abend Köln, und erst einmal: Vielen Dank dass ihr heute da seid, vielen vielen Dank dass ihr laut seid, dass ihr seit Tagen wieder in so vielen Städten hinter uns steht! Ich war bis vorgestern auf der Sea-Watch 3, komme gerade direkt vom Flughafen und ich bin unendlich traurig und stinkwütend! Euch hier alle stehen zu sehen, ist Balsam für die Seele. DANKE!

Seit nunmehr 16 Tagen wird die Sea-Watch 3 mit 32 aus Seenot Geretteten an Bord durch die Gegend geschubst, für die Menschen an Bord fängt das neue Jahr genau so beschissen an wie das alte aufgehört hat.

Noch immer ist kein Ende dieser politisch und menschlich unhaltbaren Situation in Sicht, nach wie vor ist es dem Schiff untersagt, einen sicheren Hafen anzulaufen, in dem keine drei Dutzend geflüchtete Menschen nach teils jahrelanger Flucht endlich sicheren Boden betreten könnten.
Ich war die letzten Wochen Teil der Crew, die vorgestern mit 2 Tagen Verspätung vor der Küste von Malta das Schiff mit Hilfe von Taxischiffen verlassen durfte, weil sie zufällig die „richtigen“ Reisepässe besitzt. Als wir uns von unserem Schiff entfernt haben, und unsere Gäste winkend auf dem Bootsdeck standen, sind wir in Tränen ausgebrochen. Es ist ein Scheißgefühl, völlig verzweifelte, physisch und psychisch entkräftete Menschen, die du kurz vor Knapp auf hoher See von einem kaputten Schlauchboot geborgen hast, und deren unfassbaren Lebensgeschichten du die letzten 14 Tage erfahren hast, in solch einer unklaren Situation verlassen zu müssen.

Während die Mächtigen Europas ihre fetten Weihnachtsbraten in sich hinein geschaufelt haben, und medienwirksam beim Weihnachtsgottesdienst in der ersten Reihe saßen, haben wir auf dem Achterdeck der Sea-Watch 3 unter Planen und Heizstrahlern mit Menschen aus 17 verschiedenen Herkunftsländern Weihnachten gefeiert, es gab Wasser und Reis mit Bohnen für alle.

Wir haben gemeinsam eine einwöchige Schlechtwetterphase mit Windgeschwindigkeiten von bis zu 100 km/h und entsprechenden Wellen überstanden, bei der uns das halbe Schiffsinnere um die Ohren geflogen ist. Während in Europa darüber gestritten wurde, welches christliche Abendland wohl durch die Aufnahme von 32 geflüchteten Menschen am wenigsten destabilisiert wird, und gleichzeitig allein in Deutschland 140 Millionen Euro stilsicher in Feuerwerkskörper investiert wurden, haben wir uns auf der Sea-Watch 3 auf den Sturm vorbereitet. An Schlaf war tagelang nicht zu denken, in der Neujahrsnacht sind die Wellen bis hoch auf die Brücke geklatscht, und unsere Gäste, auf engstem Raum im sicheren Schiffsinneren zusammengequetscht, haben sich die Seele aus dem Leib gekotzt.

In den letzten Tagen an Bord sind unsere Frischwasservorräte immer überschaubarer geworden, Obst und Gemüse gab es nur noch aus Konserven. Das einzig Positive: Wir hatten genug Kotztüten an Bord!

16 Tage von Europa hängen gelassen und hingehalten zu werden, das ist ein neuer Rekord im erbitterten Kampf gegen die privaten SeenotretterInnen, welche sich trotz Kriminalisierung und willkürlichen Repressalien immer noch weigern, Menschen an Europas tödlichster Grenze ersaufen zu lassen – herzlichen Glückwunsch, Europa, läuft bei dir!

Seit nunmehr einem halben Jahr hat Italiens rechte Regierung völkerrechtswidrig ihre Häfen für aus Seenot gerettet Menschen ohne europäischen Pass geschlossen. Ein halbes Jahr also, in dem Europas Herrschende es versäumt haben zu überlegen, wie es weitergeht mit der Aufnahme aus Seenot geretteter Menschen.

Stattdessen wurde lieber mit allen Tricks und Finessen versucht, uns vom zentralen Mittelmeer fernzuhalten. Schiffe wurden rechtswidrig am Auslaufen gehindert, Flaggenstaaten unter Druck gesetzt und fadenscheinige Ermittlungen, z.B. wegen „illegaler Müllentsorgung“ eingeleitet; unserem Suchflugzeug Moonbird wurde ohne Begründung die Starterlaubnis verweigert.
Zeugen sind beim völligen Versagen europäischer Politik an Europas maritimem Todesstreifen unerwünscht.

Das hat zwar dazu geführt, dass alleine im Juni und im Juli, als die zivile Rettungsflotte lahmgelegt war, über 1000 Menschen im zentralen Mittelmeer den Tod gefunden haben, aber der ganz offensichtlich gewünschte Abschreckungseffekt bleibt aus. Von Hunger, Krieg und Sklaverei gebeutelte Menschen lassen sich nicht von der Aussicht auf den Tod abschrecken und versuchen weiterhin, in nicht seetüchtigen Schrottbooten dem Elend zu entfliehen.

Einen wild zusammengewürfelten Haufen libyscher Milizen Küstenwache zu nennen und mit hunderten Millionen europäischer Steuergeldern zu überschütten, damit sie unter Einsatz brutalster Gewalt Fluchtboote aus internationalen Gewässern völkerrechtswidrig nach Libyen schleppen, ist nur ein weiterer, schäbiger Versuch der EU, sich hier ihrer Verantwortung zu entziehen.

Durch massiven öffentlichen Druck, Demonstrationen von zehntausenden Menschen in vielen europäischen Städten, tausenden solidarischen SpenderInnen und dem unermüdlichen Einsatz hunderter Freiwilliger ist die zivile Flotte jetzt wieder eingeschränkt einsatzfähig.

Die Sea-Watch 3 wurde aus viermonatiger, rechtswidriger maltesischer Geiselhaft entlassen, Proactiva Open Arms ist nach massiven Behinderungen durch spanische Behörden wieder im Einsatz, unsere italienischen FreundInnen von Mediterranea haben in Kooperation mit Sea-Watch die Mare Jonio an den Start gebracht, sea-eye hat seit letzter Woche das neue Schiff Professor Albrecht Penck im Einsatz und befindet sich mit 17 vor einigen Tagen Geretteten in der gleichen Situation wie wir. LIFELINE, Civilfleet und PROEM – AID stehen in den Startlöchern, und SOS MEDITERRANEE sucht gemeinsam mit Ärzte ohne Grenzen auf Hochtouren nach einem neuen Schiff, nachdem der Einsatz Aquarius nach zahlreichen Repressionen eingestellt werden musste.

Unser Flugzeug Moonbird und die Colibri von Pilotes Volontaires haben eine neue Flugbasis gefunden und sind wieder in der Luft – was dringend notwendig ist, da staatliche Organe ein Boot in Seenot offensichtlich lieber kentern lassen als uns darüber zu informieren.

UND WAS MACHT EUROPA? ES LÄSST UNS HÄNGEN!

Wer mit Geflüchteten an Bord wochenlang nach einem sicheren Hafen sucht und vor schlechtem Wetter flieht, kann seiner eigentlichen Arbeit, der Seenotrettung, nicht nachgehen.

Diese perverse Logik ist an Zynismus und Ekelhaftigkeit nicht zu überbieten. DAS STERBEN AUF DEM MITTELMER WIRD NICHT NUR KALTBLÜTIG IN KAUF GENOMMEN – ES IST POLITISCH GEWOLLT UND WIRD MIT ALLEN MITTELN FORCIERT! Lasst uns dem gemeinsam entgegentreten!

Unterstützt unsere Arbeit, informiert euch, teilt unsere Erlebnisse, fordert die Politik und geht auch weiterhin auf die Straße!

Vielen Dank an unsere FreundInnen von der Seebrücke, Köln gegen Rechts und den anderen Initiativen, die diese Kundgebung hier auf die Beine gestellt haben!

Bitte drückt allen Menschen an Bord der Sea-Watch 3 die Daumen, das nächste Sturmtief ist im Anmarsch – und immer noch keine Lösung in Sicht.
Herzliche Grüße im Namen von Sea-Watch, und nochmal: DANKE!!“

Offener Treff — Kein Mensch ist Illegal stellt sich vor

Illegalisiertes Leben in Köln – Was können wir tun?

Wir vom Netzwerk „Kein Mensch ist illegal“ Köln stellen uns vor:

Wir laden herzlich alle interessierten Menschen ein, einen Einblick in die zunehmend verschärften Lebensbedingungen Geflüchteter auch hier in Köln zu bekommen. Menschen ohne Papiere, unbegleitete Minderjährige, Leute mit prekärem Aufenthalts-Status und drohender Abschiebung, mangelnde medizinische Versorgung, fehlende Schulplätze, Lagerunterbringung – die Liste der Probleme ist lang.

Wir wollen aber auch erzählen, was wir hier tun. Und dass wir mehr tun könnten, wenn sich mehr Leute beteiligen würden.

Nach unserer Vorstellung und einem kurzen Input zu dem sehr breiten Themenspektrum möchten wir vor allem anhand von Einzelfällen, mit denen wir zu tun haben, illustrieren, wie dringend unsere Aufmerksamkeit und Unterstützung ist. Dies gilt natürlich auch in der Öffentlichkeit, in der sich der rechte Rand immer mehr in die Mitte der Gesellschaft und Politik schiebt.

Kommt und beteiligt euch!

8.Januar 2019, 19 Uhr im Offenen Treff, Alte Feuerwache (Melchiostr. 3)